Virat-Rupa

====== Virat-Rupa ======
**Virat-Rupa** (Virāṭ-Rūpa), auch **Vishva-Rupa**, ist die Bezeichnung für die universale Form [[gott|Gottes]].

==== Beschreibung der universalen Form Gottes ====
Aus [[Bhagavad-Gita]], 11. Kapitel:

Arjuna spricht zu [[Krishna]]: „Oh höchster Ishvara, so wie du dich beschreibst, so bist du. Ich wünsche mir deine allmächtige Gestalt zu sehen.“ (11.3)

„Oh Meister aller mystischen Kräfte, wenn du denkst, dass ich fähig bin, dies zu sehen, dann sei bitte so gütig und offenbare mir dein unbegrenztes universales Selbst.“ (11.4.)

Der Höchste Herr sprach: „Sohn Prithus, betrachte nun meine Formen, hundertfach, tausendfach, mannigfaltig, göttlich, vielfarbig und vielgestaltig.“ (11.5.)

„Oh Bharata, sieh nun die Adityas, die Vasus, die Rudras, die zwei Ashvinis sowie die Maruts und viele andere. Siehe viele wunderbare Dinge, die niemals zuvor gesehen wurden.“ (11.6)

„Oh Gudakesha, betrachte heute dieses gesamte [[brahmanda|Universum]] mit allem Bewegten und Unbewegten. Dies alles zusammen befindet sich in meinem Körper sowie alles andere, das du zu sehen wünscht.“ (11.7.)

(Der höchste Herr zeigte seine universale Form) mit unzähligen Mündern und Augen, unzähligen wundersamen Erscheinungen, verziert mit unzähligen himmlischen Schmuckstücken und unzählige himmlische Waffen haltend. Sie trug himmlische Girlanden und Gewänder, und war mit himmlischen Duftstoffen gesalbt. Diese voller Wunder bestehende göttliche Erscheinung war strahlend, unendlich, sah in alle Richtungen (alldurchdringend). (11.10-11)

Würden tausend Sonnen auf einmal am Himmel aufgehen, würde ihr Glanz der Ausstrahlung dieses erhabenen Wesens nur ähneln. (11.12)

Dort und zu dieser Zeit sah der Sohn Pandus die gesamte universale Verschiedenheit an einem Ort im Körper des [[krishna|Gottes der Götter]]. (11.13)

Arjuna sagte: „Oh Herr, ich sehe in deinem Körper die [[deva|Götter]] und all Arten von Lebewesen versammelt. Lord [[brahma|Brahma]] auf seinem Lotossitz und die heiligen Seher und die göttlichen Schlangen.“ (11.15)

„Ich sehe deine endlose Gestalt, mit unzähligen Armen Bäuchen, Mündern und Augen, die sich überall erstrecken. Oh Herr des Universums in der Gestalt des Universums! Ich kann kein Ende und keine Mitte und auch keinen Beginn in dir sehen.“ (11.16)

„Obschon du schwer zu erkennen bist, sehe ich dich gekrönt, mit einer Keule bewaffnet und ein Feuerrad tragend. Dein eigener Glanz erstrahlt um dich herum in alle Richtungen wie das unermessliche Strahlen der Sonne und lodernden Feuers.“ (11.17)

„Du bist das unveränderliche, das höchste Objekt des Wissens, der letztliche Ruheort des gesamten Universums. Du bist der unvergängliche Beschützer des ewigen [[dharma|Dharmas]], nach meiner Ansicht die ewige Persönlichkeit [[gott|Gottes]].“ (11.18)

„Mit unendlicher Kraft, ohne Anfang, Mitte oder Ende, mit unzähligen Armen, der Mond und die Sonne als deine Augen, so sehe ich dich, mit loderndem Feuer aus deinem Mund, das ganze Universum mit deiner Ausstrahlung entflammend.“ (11.19)

„Der Raum zwischen Himmel und Erde wird allein durch dich in alle Richtungen durchdrungen. Oh grosse Seele, die drei Welten (synonym für: das gesamte Universum) erzittern, wenn sie deine wundersame und erschreckende Gestalt sehen.“ (11.20)

„Die Heerschar der [[deva|Götter]] geht in dich ein. Voller Furcht preisen dich einige mit gefalteten Händen. Die Heerschar der Weisen und vollkommenen Wesen preisen dich mit bedeutungsvollen Hymnen und singen: ‚Möge alles Glück das [[brahmanda|Universum]] durchdringen!'“ (11.21)

„Die Rudras, Adityas, Vasus, die Sadhyas, die Vishvedevas, die beiden Ashvins, die Maruts und die Vorväter, die Starken Gandharvas,((Eine Aufzählung verschiedener [[deva|Devas]].)) Yakshas, [[asura|Asuras]] und die Vollkommenen betrachten dich voller Erstaunen.“ (11.22)

„Oh Starkarmiger, die Welt erbebt, wenn sie deine gigantische Gestalt mit vielen Mündern, Augen, Armen, Schenkeln, Füssen, Bäuchen sowie ihre furchterregenden Zähne sieht. Und mir ergeht es ebenso.“ (11.23)

„Der blosse Anblick, wie du den Himmel berührst, wie du erstrahlst, vielfarbig, mit aufgerissenen Mündern, gewaltigen feurigen Augen, lässt mich bis ins Innerste erzittern. Ich kann weder Ermutigung noch Ruhe finden, oh [[vishnu|Vishnu]]!“ (11.24)

„Wenn ich die schrecklichen Zähne in deinen Gesichtern sehe, die wie das Feuer der universalen Zerstörung glühen, verliere ich mein Gleichgewicht und finde keinen Trost. Sei mir gnädig, oh [[krishna|Gott der Götter]], Aufenthalt des Universums.“ (11.25)

„Alle Söhne Dhritarashtras gemeinsam mit einer Vielzahl von Erden-Herrschern wie Bhishma, Drona, dem Sohn des Wagenlenkers (Karna), zusammen mit unseren führenden Kriegern, stürzen in deine schrecklichen aufgerissenen Münder, aus denen viele Zähne ragen. Einige scheinen zerschmetterte Köpfe zu haben und von diesen Zähnen zu hängen.“ (11.26-27)

„Wie die Fluten der vielen Flüsse dem Ozean entgegenströmen, so gehen diese Helden, der Welt der Menschen, in deine flammenden Münder ein.“((Arjuna sieht in Krishnas universaler Form bereits die Ergebnisse der bevorstehenden Schlacht. (Siehe auch [[mahabharata|Mahabharata]]) )) (11.28)

„Wie Motten sich mit grosser Geschwindigkeit in die sengenden Flammen ihrer Vernichtung stürzen, ähnlich stürzen sich die Geschöpfe der Welt zu ihrer Vernichtung rasch in deine Münder.“ (11.29)

„Die Welt in alle Richtungen mit deinen flammenden Mündern verschlingend, leckst du deine Lippen. Du erfüllst das ganze [[brahmanda|Universum]] mit deinem Glanz, deine schrecklichen Strahlen versengen es, oh [[Vishnu]]!“ (11.30)

„Sag mir, wer du bist, in deiner schrecklichen Gestalt. Ehre sei dir, Bester unter den [[deva|Göttern]], sei gnädig! Ich möchte dich verstehen, oh Ursprünglicher. Tatsächlich kann ich dein Tun aber nicht verstehen.“
(11.31)

==== Die Universale Form Gottes im monistischen Verständnis ====
Im unpersönlichen (monistischen) Verständnis finden alle Namens- und Formbeziehungen in der Universalen Gestalt zu ihrem logischen Ende. Die monistische Lehre preist daher die universale Form als anschauliches Beispiel dafür, dass alle manifestierten Namen und Formen in den Zyklen von //Schöpfung und Vernichtung// kommen und gehen, und nichts anderes sind, als Erscheinungen der einzigen unterschiedslosen, nicht-dualen Wirklichkeit, dem [[Brahman]]. Demzufolge existiere nur das Brahman und alle Aufmerksamkeit und Verehrung gebühre einzig ihm. Selbst [[gott|Gott]] wird – unter dem Einfluss dieser Denkweise – als ein zeitweilig gestalthafter Ausdruck des gestaltlosen Brahmans betrachtet.

Als zeit- und raumloses Wortsymbol, um dieses //unendliche Sein// zu benennen, gilt der Urklang [[mantra|Om]]. Als Meditation zur Verwirklichung dieser unterschiedslosen Einheit allen Seins wird die Rezitation dieses Mantras, mit der gleichzeitigen Versenkung in die Vorstellung der universalen Form, im oben beschriebenen Verständnis des [[brahman|Brahman]], empfohlen.

==== Die universale Form Gottes im vishnuitischen Verständnis ====
Im persönlichen Gottesverständnis ist die universale Form Gottes (Virat-Rupa) lediglich eine Vorstellung, die dem Neuling helfen soll, das göttliche Prinzip hinter dem zu erkennen, worauf die //gesamte Natur//, //Schöpfung und Vernichtung// und //Raum und Zeit// beruhen.

Auch im personalen Gottesglauben gilt das Verständnis des einen unteilbaren Ursprungs allen Seins. Hier wird die ewige Natur des Kaivalya (vollkommen freies Bewusstsein) der [[gott|höchsten Persönlichkeit]] in der Weise erkannt, dass es für den Ursprung selber zwischen der materiellen und der spirituellen Welt oder seiner inneren ([[Cit-Shakti]]), mittleren (Jiva-Shakti, bzw. [[Tata-stha-Shakti]]) und äusseren Energie ([[Maya-Shakti]]) in der Weise keinen Unterschied gibt, als nichts davon getrennt von ihm wäre. Gleichzeitig wird der Nachfolger aufgefordert, die Unterschiedlichkeit innerhalb dieser Einheit zu erkennen. Denn je nachdem, welchen persönlichen Bezug das [[atman|Lebewesen]] (das zur [[tata-stha-shakti|Tata-stha-Shakti]] gehört) zu diesen unterschiedlichen Aspekten der einen höchsten Persönlichkeit aufnimmt, entsteht eine direkte Wechselbeziehung zum eigenen Bewusstsein.

So wird die Virat-Rupa im personalen Gottesglauben nicht als wirkliche Gestalt Gottes, sondern als Hilfestellung verstanden:
* Indem die materielle Welt ([[Maya-Shakti]], die [[maya-shakti|äussere Kraft Gottes]]) als Körper des dahinter liegenden göttlichen Prinzips ([[Cit-Shakti]], die innere Kraft Gottes) beschrieben wird, ermöglicht sie auch jenen den Zugang zur [[cit-shakti|inneren Kraft Gottes]] – und in letzter Konsequenz auch zu seiner ursprünglichen persönlichen Gestalt (//[[sat-cit-ananda-vigraha]]//) –, die sich nichts jenseits der Materie vorstellen können oder die ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die äussere Kraft richten, d. h. auf all die Erscheinungen der phänomenalen Welt.