Avatara

Avatara (Avatāra) bedeutet: Jener, der herabsteigt oder jemand, der sich sichtbar macht. Es bezieht sich auf die ewigen Gestalten Gottes, die aus Vaikuntha kommend – bildlich gesprochen – herabsteigen. Dies bedeutet, sie machen ihre ewige göttliche Gestalt in den Welten Mayas sichtbar.

Der Veda spricht vom „Herabsteigen“ Gottes aus dem unendlichen Reich der Freiheit in die Welt von Zeit und Raum der Maya, ohne dass sich das Wesen Gottes in irgend einer Weise substantiell verändert. Es handelt sich nicht um eine Inkarnation im wörtlichen Sinn, eine Fleischwerdung, wie so oft – mangels eines aussagekräftigeren Begriffs – übersetzt wird.1 
1 Der deutschen und englischen Sprache fehlt ein entsprechender Begriff, der den Sinninhalt von Avatara adäquat wiedergeben könnte. Daher findet sich in der Literatur und im Internet sehr oft die Übersetzung Inkarnation Gottes. Beim Studium der Yoga-Literatur empfiehlt es sich daher, sich bewusst zu sein und zu bleiben, dass die Quell-Texte immer vom Sinninhalt des Begriffes Avatara sprechen.

Gott unterliegt in keiner Weise den Gesetzen der Maya-Shakti. Er benötigt keinen fleischlichen Körper, wenn er sich innerhalb der Maya-Shakti sichtbar machen will.Die Maya-Shakti ist seine Energie und sie untersteht seiner Kontrolle.
2 Unter dem Einfluss nicht-vedischen Denkens, sind von indischen und westlichen Philosophen der Vergangenheit und der Gegenwart andere Darstellungen gegeben worden, um ihr jeweiliges System zu rechtfertigen. Dazu kommt noch, dass im heutigen Indien dutzende von Pseudo-Mystikern und andere Betrüger als Avatara oder Inkarnation Gottes gefeiert werden.

 

Sri Krishna

Krishna – der Avatari

Avatari bedeutet: der „Aussender“ oder „Ursprung aller Avataras“.

avatarira dehe saba avatarera sthiti keho kona-mate kahe, yemana yara mati

Alle Avataras weilen im transzendenten Körper des Avatari. Deshalb kann man ihn auch anders ansprechen (Anm.: mit einem Namen eines Avataras).
(Chaitanya-Charitamrita 1.2.112)

Nachdem die Dashavataras (die 10 Hauptavatare) und weitere machtvolle Teilerweiterungen (kalah) aufgezählt wurden, sagt das Bhagavatam:

ete camsha-kalah pumsah krishnas tu bhagavan svayam indrari-vyakulam lokam mridayanti yuge yuge

All diese (Avataras) sind vollständige Teile oder Teile der vollständigen Teile des höchsten Herrn Krishna, der Persönlichkeit Gottes. Zeitalter für Zeitalter beschützen sie die Planeten vor den Feinden Indras.3
(Bhagavatam 1.3.28)
3 Die Asuras gelten als die Feinde Indras, des Königs der feinstofflichen Himmelswelten.

 
Die Avataras

Die unzähligen Avataras Gottes werden in 7 Gruppen unterteilt.
Durch die Shastras (Schriften)  sind uns nur wenige von ihnen namentlich bekannt. Sie erscheinen z. B. für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung (Dharma) oder einfach zum göttlichen Spiel (Lila), das keinen besonderen Grund erfordert. Manchmal sind auch beide kombiniert, indem sie während ihrer Lilas auch gleich das Dharma wieder herstellen.4
4 Die berühmten Dasha-Avataras (10 herausstechende Avataras), wie sie von Jayadeva Gosvami im Dashavatara-Stotra besungen werden, finden sich alle unter den Lila-Avataras.

Lila-Avataras

Sie heißen so, weil sie zum Spiel (Lila) gemeinsam mit ihren ewigen Begleitern herabkommen. Sie werden auch Kalpa-Avataras genannt, weil sie mit wenigen Ausnahmen nur einmal an einem Tag Brahmas erscheinen. Es gibt 24 Lila-Avataras. Manche zählen auch Balarama, der immer Krishna in seinem Lila begleitet, als 25. Lila-Avatara hinzu.

Purusha-Avataras

Die Purusha-Avataras gehören zum äußeren Spiel Gottes, das heißt, sie haben ausschließlich mit der materiellen Schöpfung Gottes (Maya-Shakti) zu tun. Sie sind bekannt als:

  • Mahavishnu, der große Vishnu. Der Veda sagt, während Mahavishnu ausatmet, strömen aus seinen Poren und Atem unzählige Universen (Brahmanda). Ein einziges Ausatmen dauert die Lebensspanne eines Brahma.
  • Garbhodakashayi-Vishnu, der in jedem einzelnen Universum auf dem Garbha-Ozean liegt. Dem Veda zufolge sprießt aus seinem Nabel eine mystische Lotosblume, auf der das erste verkörperte Lebewesen, Brahma, der Schöpfergott, erscheint.
  • Kshirodakashayi-Vishnu (der auf dem Milchozean weilt). Wenn die Devas für das Erscheinen Vishnus beten, begeben sie sich nach Svetadvipa, eine besondere Welt innerhalb eines Brahmanda, wo dieser Vishnu auf Ananta-Shesha im Milchozean ruht. Es ist dieser Vishnu, der in der Trinität von Brahma,Vishnu und Shiva angesprochen wird. Es ist auch Kshirodakashayi-Vishnu, der sich als Paramatman in allen Dingen befindet und so seinem Namen auch in der Materie (fein- und grobstofflich) gerecht wird: Vishnu, der Alldurchdringende.
    Garbhodakashayi-Vishnu und Kshirodakashayi-Vishnu gehen für die Zeit der Auflösung (wenn die Prakriti in den unmanifestierten Zustand wechselt; Mahavishnu einatmet) wieder in den Körper Mahavishnus ein. 

 
Siehe auch

Purusha

Manvantara- und Yuga-Avataras

An einem Tag Brahmas, der 4.32 Milliarden irdische Jahre dauert, gibt es hintereinander

14 Manvantara-Avataras:
  • Yajna
  • Vibhu
  • Satyasena
  • Hari
  • Vaikuntha
  • Ajita
  • Vamana-Upendra
  • Sarvabhauma
  • Rishabha
  • Vishvakshena
  • Dharmasetu
  • Sudhama
  • Yogeshvara
  • Brihadbhanu

Sie halten sich in Svarga, der vergänglichen Himmelswelt auf und werden dort von Indra und den anderen Devas verehrt.

Sie werden in jedem Yuga auf der Erde Avatara, zumeist in der Gestalt eines Weisen (Rishi), und verkünden die Hauptform der Religion (Yuga-Dharma), welche sich für das jeweilige Zeitalter am besten eignet.

Guna-Avataras

Die Guna-Avataras gehören ebenfalls zum äußeren Spiel Gottes. Das bedeutet, sie sind nur innerhalb der zahllosen Universen (Brahmandas) zu sehen.

Diese Guna-Avataras sind bekannt als:

  • Brahma, Schöpfer und „Architekt“ aller grob- und feinstofflichen Welten, sowie der Körper vieler hoher Devas, die wiederum weitere Lebensformen gestalten, die zu den jeweiligen Welten passen. Brahma repräsentiert den Guna Rajas.
  • Vishnu, Erhalter aller Welten. Vishnu repräsentiert den Guna Sattva.
  • Shiva, Zerstörer der Welten innerhalb des Universums. Shiva repräsentiert den Guna Tamas.

Der Guna-Avatara Vishnu ist identisch mit dem Purusha-Avatara Kshirodakashayi-Vishnu.

garbhoda-kshiroda-shayi donhe ‚purusha‘ nama sei dui, yanra amsha, – vishnu, vishva-dhama

Garbodakashayi und Kshirodakashayi werden beide Purushas genannt. Sie sind vollständige Teile (amsha) von Mahavishnu (des ersten Purusha), der Wohnstätte aller Universen.
(Chaitanya-Charitamrita 1.5.76)

tad ahur aksaram brahma sarva-karana-karanam vishnor dhama param sakshat purushasya mahatmanah

Das höchste Unfehlbare ist die höchste Ursache aller Ursachen. Das spirituelle Reich Vishnus ist zweifellos diese höchste Ursache, die Heimat des großen Purusha (Mahavishnu), der Ursache aller Manifestationen.
(Bhagavatam 3.11.42)

sattvam rajas tama iti prakriter gunas tair yuktah parah purusha eka ihasya dhatte sthity-adaye hari-virinci-hareti samjnah shreyamsi tatra khalu sattva-tanor nrinam syuh

Der transzendente Herr (parah purusha) ist indirekt mit den drei Gunas Sattva, Rajas und Tamas verbunden, und zur Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung nimmt der Eine die Form von Hari, zuständig für Sattva), Brahma (Virinci, zuständig für Rajas) und Shiva (Hara, zuständig für Tamas) an. Von diesen drei Formen ist es die Gestalt, die Sattva verwaltet (Vishnu), von der die Lebewesen am meisten gewinnen können.
(Bhagavatam 1.2.23)

Shakti-Avesha-Avataras

Diese Sondergruppe besteht aus besonders ermächtigten Atmans (Seelen), die zur Ausführung einer bestimmten Aufgabe mit einem Teil der Kraft (Shakti) Gottes erfüllt sind.

Bhagavata-Avesha-Avataras

Große Bhaktas oder Rishis, in die Vishnu persönlich eingeht und sich mit ihnen identifiziert, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen.
Beispiel sind die Lila-Avataras Rishabha und Kapila, der Sohn Devahutis (siehe auch Bhagavatam, drittes Buch).