Maya-Shakti

Māyā-Śakti (Maya-Shakti), die vom Zentrum allen Seins fortschleudernde Kraft Gottes.

Māyā (Maya, Mayadevi), die Verwalterin der manifestierten Maya-Shakti 1.

Sie ist unter vielen Namen bekannt, wie Durgā (Durga), Kālī (Kali)2, Pārvatī (Parvati) und andere. Sie ist die Ehefrau (Shakti) von Shiva.

1 Prakriti, die Gesamtheit aller fein- und grobstofflichen Materie zeigt sich manifestiert in unzähligen Universen, und unmanifestiert (ungeformt), ohne die fein- und grobstofflichen Universen (Brahmandas).

2 Zu unterscheiden von Kali (Kali, masc.), dem Herrscher des Kali-Yuga.

Persönlich und unpersönlich

In der Gestalt Mayas ist diese Energie persönlich. Als fein- und grobstoffliche Energie (Prakriti) manifestiert sich diese äußere Kraft Gottes unpersönlich, obschon sie vom Paramatma völlig durchdrungen ist. Auf dem Paramatma ruht die Maya-Shakti, die große Maya der Welt, Maha-Maya genannt. Alles, was gemessen und berechnet werden kann, alles, was unserem Intellekt tatsächlich zugänglich ist, gehört zum Wirkungsbereich der Maya-Shakti.

Aus diesem Grund erklärte Srila Bhaktivinoda Thakura, man solle dem Geist und nicht den Worten der offenbarten Schriften seine Aufmerksamkeit schenken. Man solle sich daran erinnern, dass die spirituelle Welt unbegreiflich, unmessbar und unfassbar ist. Auch wenn sie uns in analogen Bildern aus den Welten der Maya-Shakti erklärt wird, ist sie nicht mit diesen Bildern identisch, die dazu gedacht sind, dem verkörperten Atman eine Annäherung zu ermöglichen.

Wirkungsweise der Maya

Die Maya drückt sich in unterschiedlicher Weise aus. Als „verhüllende Kraft“ verhüllt sie das reine Bewusstsein des Atman. Als „fortschleudernde Kraft“ schleudert sie den Atman vom Zentrum allen Seins (Gott) fort.
Durch sie bekommt der ewige und unveränderliche Atman …

  • ein falsches Ich-Bewusstsein, Ahankara (das Ahankara ermöglicht dem Atman, sich mit den jeweiligen grob- und feinstofflichen Körpern zu identifizieren),
  • eine feinstoffliche1 und
  • eine grobstoffliche2 Hülle.

Als fortschleudernde Kraft kann man die Maya mit der Zentrifugalkraft der Physik vergleichen.

1 Feinstofflich bezieht sich hier auf alle Arten nicht-physischer Körper oder Formen. Es gibt viele feinstoffliche Dimensionen, Welten oder Ebenen, mit entsprechenden Körpern und Fähigkeiten jener, die diese Körper bewohnen, die uns auf der Erde wie Magie vorkämen. 
2 Alle Arten von physischen Körpern mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten.

Die Maya bewirkt nicht nur Täuschung, Unwissenheit oder Illusion.

Als Prakṛti (Prakriti), die Gesamtheit der sichtbaren und unsichtbaren Natur, ist sie gestaltende Kraft und die Grundsubstanz aller veränderlichen Stoffe (der grob- und feinstofflichen Materie).

Im Vishnuismus betrachtet man die Welten von Zeit und Raum nicht als Illusion – wie die Advaita-Lehre behauptet –, weil sie letztlich auf Gott beruhen und aus seiner Energie (Shakti) geformt sind. Doch aufgrund ihres Wesens, sich endlos von der Erschaffung bis zur Zerstörung zu wandeln, kann kein Lebewesen Beständigkeit in der materiellen Welt finden.
Deshalb besteht die wirkliche Illusion darin zu glauben, dauerhaftes Glück, Macht, Reichtum oder beständige Freude, sei in der Maya-Welt zu finden.

Die Maya ist eine Dienerin Gottes. Es ist ihre Aufgabe – ähnlich einem Gefängnisaufseher – alle Seelen, die mit der inneren Haltung, dem Wunsch, von „ich bin das Zentrum“, genießen wollen, an die Materie zu binden. Nur durch das Vergessen des eigenen ewigen Wesens, ist dieser Wunsch zu erfüllen. Deshalb führt sie diese Wesen vom Zentrum allen Seins fort und „kettet“ sie mit den unsichtbaren Fesseln der Unwissenheit. Daher heißt sie auch Durga.
Durga ist eine Festung, ein Gefängnis. Als Vidya, Kraft des Wissens, macht sie es möglich, dass jene Wesen, die sich dem Urgrund (Gott) zuwenden wollen, zu ihm finden. Ihnen löst sie die Fesseln und bietet Hilfe zu ihrer Befreiung (Mukti).

Gleich der Cit-Shakti (Svarupa-Sakti), tritt auch die Maya der Welt gestalthaft, als Person und gestaltlos, als ihre Kräfte, auf.

Die drei Gunas der Maya

Zur klaren Erkenntnis der Welt und des Menschen gehört gemäß den Schriften (Shastras) vor allem das Wissen von den drei Gunas der Maya, durch die alle Lebewesen in der materiellen Welt gebunden werden.

Mayadevi – Die Wunscherfüllerin

Die Scheide zwischen der Maya-Welt und dem von der Maya Unberührtem ist aber kein statisches hier und dort, es handelt sich vielmehr um eine dynamische Perspektive, eine Frage der Blickrichtung. Wenn einem Menschen durch die Gnade Gottes die Sehkraft des göttlichen Auges verliehen wird, vermag er tiefer in die Natur der Maya einzudringen und ihr Wesen zu erkennen. Als ein Freier wird er dann mitten in der Welt zwischen den Gunas der Maya wandeln und nicht mehr von ihr unterjocht sein. Das wird ihm möglich, weil er durch die ihm verliehene neue Sehkraft hinter allen flüchtigen Erscheinungen der Maya-Welt, dem Hässlichen wie dem Schönen, dem Glück wie dem Leid, den ewigen göttlichen Grund zu sehen vermag. Das Ziel ist also keineswegs eine völlige Abkehr von der Maya-Welt, sondern vielmehr die Erkenntnis ihrer wirklichen Natur.

Diese Wunderkraft Gottes, die Maha-Maya, besitzt die Fähigkeit, dass sie jedem einzelnen Wesen – entsprechend dem Grad seiner Unwissenheit – die ihm entsprechende „Wirklichkeit“ zum Erleben entgegenhält.
Ihre Aufgabe ist es, den Gottabgewandten die wahre Wirklichkeit zu verhüllen und ihnen stattdessen scheinbare Wirklichkeit vorzuführen.

Diese äußere Shakti Krishnas (Mayadevi) wird von Shaktas (ihren Anhängern) als das höchste Ziel der Verehrung beschrieben. Für alle Atmans, die fein- und grobstoffliche Materie genießen wollen, ist diese Kraft Gottes das einzig logische Ziel aller Verehrung. Aufgrund ihrer Wünsche, sehen sie nicht den Ursprung der personifizierten Maya-Shakti, der äußeren, der grob- und feinstofflichen Energie

Im Gegensatz zur Yoga-Maya, die unmittelbar mit Krishna selbst verbunden ist. Yoga-Maya ist seine herrliche Kraft des Seins, der Erkenntnis und der Liebe. Ihre Aufgabe ist es, in immer neuen Entfaltungen den Gottzugewandten unendliche wahre Wirklichkeit vorzuführen, aber dabei, zur Steigerung des ewigen Spiels, bestimmte Aspekte des Herrn verhüllt oder hervorhebt. So verhüllt sie zum Beispiel oft Gottes Allmacht und Majestät, um seine göttliche Lieblichkeit und Süße völlig aufleuchten zu lassen.